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Florian Linder - Lukas Schenk | News | 10.07.2012

Zur Rechnungslegungspflicht einer unternehmerisch tätigen GmbH & Co KG

Die Gastautoren Dr. Linder (Foto) und Dr. Schenk beleuchten diese Thematik anhand einer aktuellen OGH-Entscheidung und erläutern die wesentlichen Folgen für die Praxis.

In der Entscheidung vom 16.02.2012, 6 Ob 203/11p (als Leitsatz erschienen im letzten WEKA-Newsletter Gesellschaftsrecht vom 12. Juni 2012) nahm der OGH zur Rechnungslegungspflicht von unternehmerisch tätigen Personengesellschaften, bei denen kein unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, Stellung. Die Autoren beleuchten die praktischen Auswirkungen des Urteils und mögliche Kritikpunkte an der Begründung des Höchstgerichts.

Gemäß § 189 Abs 1 Z 1 UGB sind die Rechnungslegungsvorschriften des UGB - insbesondere auch die Offenlegungspflicht des § 277 UGB - auf Kapitalgesellschaften und unternehmerisch tätige Personengesellschaften, bei denen kein unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist (womit praktisch im Wesentlichen die GmbH & Co KG erfasst wird) anzuwenden. Eine GmbH & Co KG unterliegt daher nur dann den Rechnungslegungsvorschriften, wenn sie unternehmerisch tätig ist.

Der Entscheidung des OGH lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde: Das zuständige Firmenbuchgericht verhängte über die P. GmbH & Co. KG eine Zwangsstrafe wegen Verletzung der Verpflichtungen zur Einreichung des Jahresabschlusses beim Firmenbuch gemäß §§ 277 ff UGB. Die P. GmbH & Co. KG stützte sich im weiteren Verfahren darauf, dass keine unternehmerische Tätigkeit vorliege. Nach den Angaben der Gesellschaft bestand deren Tätigkeit ausschließlich in der Vermietung eines einzigen Bestandobjekts, wofür im Geschäftsjahr 2009 Einkünfte in Höhe von EUR 15.791,13 erzielt wurden. Die Gesellschaft sei somit eine reine „Besitzgesellschaft“. Eine auf Dauer angelegte Organisation sei für die Vermietung eines Bestandobjekts nicht erforderlich. Die Gesellschaft habe keine Mitarbeiter. Aus dem Gesellschaftsvertrag ergebe sich, dass der Gegenstand des Unternehmens die Vermögensverwaltung sowie der Erwerb, die Veräußerung und die Verwaltung von Beteiligungen an in- und ausländischen Gesellschaften und Unternehmungen, gleichgültig in welcher Gesellschaftsform sowie die Verwaltung und der An- und Verkauf von Immobilien sei.

Bisher beschäftigte sich die Rechtsprechung mit der Frage, wann eine unternehmerische Tätigkeit im Zusammenhang mit Vermietung von Bestandobjekten zu bejahen ist, ausschließlich im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit des KSchG (RIS-Justiz RS0065317; OGH 3 Ob 547/93 zur Frage, ob die Voraussetzung des Rücktrittsrechts nach § 3 KSchG vorlagen). Als Unternehmer ist demnach ein Vermieter anzusehen, wenn dritte Personen (z.B. Hausbesorger) beschäftigt werden, eine Mehrzahl dauernder Vertragspartner (Mehrzahl von Mietverträgen) vorliegt, die eine nach kaufmännischen Grundsätzen geführte Buchhaltung erfordert und somit die Einschaltung von anderen Unternehmen oder Erfüllungsgehilfen erforderlich ist und auch längerfristige Vertragsbindungen bestehen (RIS-Justiz RS0065317; OGH 5 Ob 570/80). Werden nicht mehr als fünf Mietgegenstände in Bestand gegeben, liegt nach der Rechtsprechung noch keine unternehmerische Tätigkeit vor (SZ 53/103; OGH 3 Ob 547/93).

Nach Ansicht des OGH sind diese Kriterien bei einer GmbH & Co KG als Vermieter jedoch nicht anwendbar. Im konkreten Fall leitete der OGH die Unternehmereigenschaft im Wesentlichen aus zwei Argumenten ab:

(i) Die bisher ergangene Rechtsprechung beschäftigte sich nur mit natürlichen Personen als Vermieter. Die GmbH & Co. KG könne mangels Privatlebens jedoch nicht privat vermieten.

(ii) Die Gesellschaft als auch ihre Komplementärgesellschaft waren nach ihren Satzungen im selben Geschäftszweig tätig („An- und Verkauf sowie Verwaltung von Beteiligungen und Immobilien“). Der OGH leitete eine auf Dauer angelegte Organisation selbstständiger wirtschaftlicher Tätigkeit iSd § 1 Abs 2 UGB bereits aus dem Umstand ab, dass zur Ausübung dieser Tätigkeit eine eigene Kapitalgesellschaft, nämlich die Komplementärin, gegründet wurde.

Weiters betonte der OGH, dass eine bestimmte Mindestgröße des Unternehmens, ein Mindestkapital oder eine sonstige Mindestorganisation nicht erforderlich seien.

Für die Praxis bedeutet diese Entscheidung, dass eine Rechnungslegungspflicht (insbesondere Pflicht zur Erstellung und Einreichung eines Jahresabschlusses beim Firmenbuch) bei einer GmbH & Co. KG selbst dann eingreifen kann, wenn sich die Tätigkeit der Gesellschaft in der Vermögensverwaltung („Besitzgesellschaft“) erschöpft. Der konkrete Organisationsgrad ist dafür grundsätzlich irrelevant. Ohne Bedeutung ist bei Vermietungen insbesondere die Anzahl der insgesamt vermieteten Objekte.

Zu beachten ist, dass der VwGH die steuerliche Frage, ob Einkünfte aus Gewerbebetrieb iSd § 23 EStG vorliegen, (zumindest bisher) nach abweichenden Kriterien beurteilt (maßgeblich ua für die Gewinnermittlung nach § 5 Abs 1 EStG). Nach der Judikatur des VwGH wird eine Vermietungstätigkeit erst dann zum Gewerbebetrieb, wenn zur bloßen Nutzungsüberlassung zusätzliche Leistungen treten (etwa bei Zimmervermietung: gaststätten- oder hotelmäßige Betreuung udgl, nicht hingegen bei Vermietung weniger Zimmer mit Verabreichung des Frühstücks; VwGH 03.05.1983, 82/14/0248). Erst kürzlich hat der VwGH festgehalten, dass die durch jede Art von Vermietung bedingte, laufende Verwaltungsarbeit und die durch sie gleichfalls oft erforderliche Werbetätigkeit allein nicht zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führt (VwGH 24.06.2009, 2008/15/0060). Selbst die Vermietung von 18 Appartements wurde nach diesen Grundsätzen nicht als Gewerbebetrieb iSd § 23 EStG beurteilt (VwGH 30.09.1999, 97/15/0027).

Die Entscheidung des OGH kann durchaus kritisch hinterfragt werden. Insbesondere ist die Rechtfertigung für eine unterschiedliche Beurteilung von natürlichen Personen und GmbH & Co. KGs als Vermieter fraglich. Auch kann es nicht auf den satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand der Komplementär-GmbH ankommen. Es ist unklar, ob die Begründung des OGH auch dann trägt, wenn die Komplementär-Gesellschaft keinen gleich lautenden Geschäftszweig wie die KG in ihrer Satzung verankert hat. Sachgerechter wäre es wohl, sowohl bei natürlichen Personen als auch Personengesellschaften darauf abzustellen, ob die vermietende Tätigkeit den für eine unternehmerische Tätigkeit iSd § 1 Abs 2 KSchG/§ 1 Abs 2 UGB erforderlichen Organisationsgrad erreicht. Die aktuelle Entscheidung lässt für die Einschränkung der Anwendbarkeit der Rechnungslegungsvorschriften auf unternehmerisch tätige Personengesellschaften so gut wie keinen Anwendungsspielraum.

Autoren

MMag. Dr. Florian Linder:

MMag. Dr. Florian Linder ist Rechtsanwalt bei Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte, Wien/Mödling. Er ist als Lektor an der Wirtschaftsuniversität Wien tätig sowie ständiges Redaktionsmitglied der Zeitschrift für Finanzmarktrecht. Dr. Florian Linder war Universitätsassistent am Institut für Zivil- und Unternehmensrecht der Wirtschaftsuniversität Wien. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Unternehmensrecht, Kapitalmarktrecht, Insolvenzrecht, allgemeines Zivil- und Vertragsrecht sowie Litigation.

Florian.linder@vbsn.at

Dr. Lukas Schenk:

Dr. Lukas Schenk ist Partner bei Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte, Wien/Mödling. Er war als Universitätsassistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien sowie bei der Europäischen Kommission in Brüssel tätig. Dr. Lukas Schenk ist ständiger Vortragender an der Akademie der Wirtschaftstreuhänder. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Unternehmenstransaktionen, Gesellschaftsrecht und Gesellschafterausschluss, Umstrukturierungen, Vergabe- sowie Arbeitsrecht.

Lukas.schenk@vbsn.at